Schnelligkeit im Tennis
Schnelligkeit ist die Fähigkeit (unter ermüdungsfreien Bedingungen) in maximal kurzer Zeit motorisch zu agieren. Tennis ist allerdings ein bewegungsphysiologisch komplexer Sport. Tennisspieler benötigen Schnellkraft, die in engem Zusammenhang steht mit Koordinationsfähigkeit (zum Beispiel beim Rückhandschmetterball), Schnelligkeit (zum Beispiel beim Aufschlag) und Maximalkraft (beispielsweise abruptes Abstoppen und maximale Beschleunigung zum Ball). Kraft und Schnelligkeit hängen also eng zusammen. Kraftdefizite können durch andere koordinative Fähigkeiten größtenteils kompensiert werden. Daher kann man durch gezielte Übungen im Training die Schnelligkeit in vielerlei Hinsicht verbessern. Umgekehrt kann aber falsch konzipiertes Krafttraining sogar die Schnelligkeit mindern.
Schnelligkeit ist ein Gebiet der Sportwissenschaften, das längst nicht ausreichend erforscht ist. Entsprechend gibt es dazu viele unterschiedliche Definitionen. Die wichtigsten Grundbegriffe zum Thema Schnelligkeit im Tennis erklärt Vanessa Herrmann in ihrem PDF recht übersichtlich.
Kraft im Tennis
Bei der Kraft wird zwischen Maximalkraft, Schnellkraft und Kraftausdauer unterschieden.
Maximalkraft
Maximalkraft kann statisch und dynamisch auftreten:
- statisch. gegen einen unüberwindlichen Widerstand
- dynamisch: innerhalb eines Bewegungsablaufs, z.B. Sprung
Schnellkraft
Bei der Schnellkraft wird der Körper bzw. Teile davon mit maximaler Geschwindigkeit beschleunigt. Je größer dabei die Explosivkraft, desto schneller wird das Kraftmaximum erreicht. Die Zahl der schnellen Muskelfasern lässt sich aber nicht durch Training erhöhen, auch nicht die Kontraktionsgeschwindigkeit der Muskeln.
Einige Komponenten der Schnellkraft sind jedoch trainierbar:
- Intramuskuläre Koordination (alle Muskelfasern eines Muskels arbeiten optimal zusammen)
- Intermuskuläre Koordination (Synergisten und Antagonisten arbeiten optimal zusammen)
Dazu kommt das Technikelement Vorspannung der Muskulatur. Dieses Prinzip der optimalen Anfangskraft kann man durch bestimmte Bewegungs- und Schlagtechniken ausschöpfen (z.B. Loading beim Tennisschlag, oder Split-Step im Moment, in dem der Ball den Schläger des Gegners verlässt).
Kraftausdauer
Kraftausdauer ist Ermüdungswiderstandsfähigkeit des Organismus bei langandauernden Kraftleistungen.
Schnelligkeit im Tennis
Schnelligkeit im Tennis kann man in Reaktions – und Antizipationsschnelligkeit, Schlagschnelligkeit und Laufschnelligkeit gliedern.
Reaktions- und Antizipationsschnelligkeit
- Man kann die Beobachtungsfähigkeit bzw. die Interpretation der Körpersprache des Gegners systematisch schulen. In anderen Sportarten, z.B. im Handball, Volleyball wird dies intensiv eingesetzt. (beim Tennis: auf die Schulterachse des Gegners achten, sich die Schlaggewohnheiten des Gegners einprägen.)
- Das antizipatorische Timing betrifft die Einschätzung der Ballflugbahn (z.B. durch Schnitt, Wind und Bodenbelag).
- Die Konzentrationsfähigkeit spielt eine große Rolle. Diese ist gut trainierbar. Trainieren kann man auch da periphäre Sehen, wozu es interessante – vom US-Militär finanzierte – YouTube-Clips gibt.
Laufschnelligkeit
- Der 100 Meterlauf hat eine azyklische Phase (Start) und die anschließende zyklische Phase der sich relativ gleichförmig wiederholenden Laufbewegung.
- Im Tennis spielt die azyklische Bewegung die dominierende Rolle: Start, Richtungswechsel (seitwärts, links/rechts, vorne/hinten).
- Im Tennis kommt es aber nicht nur darauf an, schnell irgendwo hinzulaufen, sondern den Lauf durch eine gute Schlagaktion abzuschließen. Deshalb gibt es zur Laufschnelligkeit raffinierte Tests mit Ballpendel:

Ballpendelübungen nach Piper
Testaufbau auf dem Platz, Sven Piper S. 192. Die gelben Kugeln stellen Ballpendel dar, die nach vorgeschriebenen Laufwegen zu schlagen sind. Messfühler registrieren Schlaghärte und -Richtung. Mehr dazu bei Holger
Schlagschnelligkeit
- Diese hängt auch von einer optimalen Technik ab. Die modernen Schläge verkürzen die Schlagaktion ganz enorm. Dabei müssen aber die Bewegungsbahnen technisch sehr präzise “sitzen”, weil eine Korrektur bzw. Regelung während der Schlagbewegung aufgrund der Kürze des Ablaufs (0,2 bis 0,6 Sekunden im modernen Spitzentennis) nicht mehr möglich ist
- Der Lauf muss durch einen guten Schlag abgeschlossen werden. Beim schnellen Schlag, z.B. Aufschlag und Killervorhand setzten die Trägheit des Schlägers (plus Armgewicht) der Beschleunigung einen erheblichen Widerstand entgegen. Dies spielt bei der Wahl des optimalen Schlägers eine große Rolle (Armgewicht und Schlagstil beachten)
Schnelligkeit trainieren, verbessern
Alles zusammengenommen führt das dazu, dass Schnelligkeit, Krafttraining und Techniktraining aufeinander Bezug nehmen müssen. Krafttraining darf nicht dazu führen, dass die Bewegungsmuster (Technik) verloren gehen. Im Gegenteil, die sogenannten neuromuskulären Muster – die (zeitliche) Abfolge der Innervation aller beteiligten Muskeln – müssen immer wieder auf Schnelligkeit getrimmt werden. Ein Weg ist es, Bewegungen unter erleichterten Bedingungen zu trainieren (z.B. bergab laufen oder mit einem leichteren Schläger schlagen).
Entsprechend soll man beim Krafttraining, z.B. mit Medizinbällen, immer wieder mit leichteren Bällen auf das höhere Schnelligkeitsneveau zurückkommen.
- Wir beobachten z.B. bei Marion Bertoli, dass sie zwischen den Punkten immer wieder sehr schnelle Schlagbewegungen trocken ausführt. Und ihre ebenso zu beobachtenden so genannten Counter-Movement-Jumps dienen der Schnellkrafterhöhung. Dass dies im Match nicht zur Ermüdung führt ist bemerkenswert. Aber gerade sie ist im Moment ja außerordentlich erfolgreich (in Miami war sie erst gegen die Turniergewinnerin Agnieszka Radwanska unterlegen).
- Auch die Rhythmuswechsel von Rafael Nadal, wenn er zum Zaun und zurück läuft, können als Übungen, die dem Erhalt der (azyklischen) Schnelligkeit dienen, gesehen werden.
Schnellkrafttraining
Vanessa Herrmann (vgl. PDF oben in der Einleitung) empfiehlt, das Schnellkrafttraining in drei Phasen aufzuteilen:
- Muskelaufbau/Maximalkraft (1. – 3. Woche),
Beinpresse 50% bis 75% der Maximalkraft mit 10 bis 15 Wiederholungen. Wir empfehlen stattdessen bzw. in Mischusng Counter-Movement-Jumps (vgl. Wikipedia).
- Intramuskuläre Koordination/Maximalkraft (4. bis 6.Woche),
Beinpresse 80% bis 100% der Maximalkraft, 1 bis 6 Wiederholungen. Wir empfehlen stattdessen bzw. in Mischung Drop-Jumps (vom Kasten runterspringen und maximale Höhe erreichen). - spezielle Schnellkaft
(z.B. 10 m Sprunglauf bergauf (Rekrutierung) und 20 m Kurzsprint (Frequenzierung).
Salzenstein weist darauf hin (vgl. Textdokument), dass nach neuesten Erkenntnissen die hintere Muskulatur im Vergleich zur vorderen im Verhältnis 2 zu 1 trainiert werden soll. Statt Sit-Ups und Crunches also Übungen für die rückwärtige Muskulatur. Dies ist bei den Jumps idealerweise gegeben. Übungen mit Drehungen der Wirbelsäule sind nur sparsam einzusetzen. Klettern hingegen wird von ihm befürwortet.
Bei allen Krafttrainingsarten muss immer wieder auf die wettkampfnahen Bewegungsmuster zurückgekommen werden, um die Schnelligkeit nicht zu verlieren.
Aber auch, wenn man alles richtig macht, kann es passieren, dass das Krafttraining die Schnelligkeit nicht erhöht. Sven Piper hat gezeigt, dass das Schnellkrafttraining durch Jumps bei den jungen Damen – anders als bei den Herren, die Schnelligkeit nicht erhöht, sondern gesenkt hat.
Schnelligkeits und Techniktraining
Optimal sind Übungen für die Schnellkraft, die mit möglichst wettkampfnahen Übungen erzielt werden. Ich habe mal in einer Fernsehsendung gesehen, wie den Boxern mit sehr originellen Bastellösungen Apparate gebaut wurden, die Schnellkrafttraining möglichst wettkampfnah erlaubten. Für das Tennis sind mir derartige Vorrichtungen nicht bekannt. Eine Verbesserung wären z.B. Rückmeldungen beim Aufschlagtraining: es ist erwiesen, dass die Aufschläger ihre erzielte Schlaggeschwindigkeit nicht gut einschätzen können, die Rückmeldung durch eine Radarmessung die Effektivität des Trainings aber erheblich verbessert.
Anregungen zum Schnellkraft- und Schnelligkeitstraining fürs Tennis
Die Universität Gießen hat in einigen Podcasts Trainingsübungen zum Tennis ausgearbeitet, siehe hier…

18. April 2012
Gerne nahm ich den Vorschlag von Robert an, im Austausch für seinen Aufsatz zur Matchanalyse auf meinem Portal einen Gastartikel für das Tennis-Weblog zum Thema Schnelligkeit zu schreiben.
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