Wie gewinnt man gegen Linkshänder im Tennis?
Im Tennis hat grundsätzlich immer derjenige einen Vorteil, der ungewöhnlich spielt. Denn bis man sich auf dessen ungewöhnliche Spielweise eingestellt hat, sind meist die wichtigen ersten Spiele zu Gunsten des Gegners verlaufen.
Linkshänder sind typische Vertreter eines atypischen Spiels. Gehen wir davon aus, dass wie bei den meisten Spielern die Vorhand besser ist, hat der Linkshänder dort die starke Seite wo normalerweise der Rechtshänder seine meist schwächere Rückhand spielen muss.
Wie schon bei der Kurzanalyse „Wieso Rafael Nadal gegen Roger Federer die Frech Open gewann“ erläutert, sind es meines Erachtens drei wesentliche Vorteile, die daraus resultieren.
Linkshänder – Vorteile im Sport
Vor allem bei Rückschlagsportarten wie Tennis und in Sportarten mit direktem Gegner wie Fechten findet man in der Weltspitze überdruchschnittlich viele Linkshänder. Das Institut Sportwissenschaft der Universität Münster hat diese Vermutung nun wissenschaftlich unter die Lupe genommen.
Der Anteil der Linkshänder beträgt im Bevölkerungsdurchschnitt etwa 10 %. In vielen Weltranglisten solcher eingangs angesprochenen Sportarten finden sich aber bis zu 30 % Linkshänder wieder – ein deutlich überproportionaler Anteil.
1992 waren etwa in den Top 100 der Tennis-Weltrangliste bei den Herren 21 Linkshänder.
Es gibt übrigens mehr linkshändige Männer als Frauen. Auch weiß die Wissenschaft bis heute nicht, inwieweit Linkshändigkeit überhaupt vererbt wird.
Lennart Fischer am Institut für Sportwissenschaften der Uni Münster hat Tennisspieler beobachtet. Die Probanden blicken auf einen Bildschirm, auf dem ein gegnerischer Tennisspieler aufschlägt. Beim Treffpunkt des Balles wurde die Sequenz angehalten und der Proband musste vorhersagen, wohin der Aufschlag des Gegners fliegen wird. Die Augenbewegungen sowie die Blickrichtung (Fokus) wurden dabei mittels dem so genannten Eye-Tracking erfasst.
Die Probanden selbst waren 50% Links- bzw. Rechtshänder. Auch auf dem Bildschirm schlugen 50% Rechts- bzw. Linkshänder auf.
Im Ergebnis konnten alle Probanden (rechts- wie linkshändige) die gegnerischen Rechtshänder wesentlich besser einschätzen als die Linkshänder.
Man vermutet, dass das Blickmuster nicht symmetrisch sei und daher ein Rechtshänder anders wahrgenommen wird als ein Linkshänder. Denn bei den Rechtshändern beobachteten die Probanden mehr den Schlagarmbereich (wesentlich beim Tennis). Beim Linkshänder war das nicht spiegelverkehrt, denn der relevante linke Bereich wird nicht gleich wahrgenommen.
Wie man gegen Linkshänder im Tennis spielen sollte
Der Linkshänderschnitt
Am besten lässt sich dies beim Aufschlag verdeutlichen. Ein Kickaufschlag hat meist immer etwas seitlichen Drall. Darauf muss man sich als Returnspieler einstellen, um den richtigen Treffpunkt zu antizipieren. Man schlägt daher den Ball weiter links als man es für gewöhnlich tun würde.
Beim Linkshänder kommt dieser Aufschlag ähnlich, nur gerade spiegelverkehrt. Dadurch sprint der Ball nicht nach links, sondern nach rechts. Da man diese Bälle sehr selten trainiert, dürfte es gerade die ersten Spiele sehr schwierig sein, überhaupt einen vernünftigen, planvollen Return zu spielen.
Beim Slice-Aufschlag ist es meist noch gravierender, da der Linkshänder auf der Vorteil-Seite weit auf die Rückhand des Rechtshänders servieren kann, was dieser nicht gewohnt ist.
Der Taktikvorteil
Gerade unter Zeitnot spielt man die Bälle automatisch wie gewohnt auf die eigentlich schwache Seite des Gegners. Der Linkshänder wartet aber genau da mit seiner starken Vorhand und sagt danke.
Auch die Crossduelle mit eigener Rückhand auf die Vorhand des Linkshänders sind taktisch meist unklug. Sich aber mit einer Rückhand longline unter Druck zu befreien, ist meist nur der Linkshänder gewohnt. Dieser schwierige, ungewohnte Schlag führt aufgrund des hohen Risikos sicherlich zu vielen Fehlern.
Der Defensivvorteil
Auch hier spielt wieder die Gewohnheit eine Rolle. Dieser Aspekt ist zudem auch taktisch geprägt.
Angenommen wir greifen gerne mit einem Rückhand Slice cross auf die Rückhand des Gegners an. Dann kann man diesen Ball und spielt ihn gerne. Longline verzieht man doch den ein oder anderen Schlag zu viel. Der Linkshänder bekommt allerdings so den Ball immer wieder auf seine starke Vorhand und kann ganz anders kontern als ein Rechtshänder. Der Angreifer rennt daher oftmals ins Verderben, denn von kurz cross über Lob bis longline ist auf der Vorhand des Linkshänders jeder Passierschlag möglich. Damit muss man bei der Rückhand eines Rechtshänders meist nicht immer rechnen.
Wie man gegen einen Linkshänder gewinnt
Entscheidend ist, die obigen Vorteile des Linkshänders zu umgehen. Zudem kann man zumindest den taktischen Nachteil auch in einen Vorteil umsetzen.
Gegen den Linkshänderschnitt kann man wenig tun, als sich geistig bereits vor Beginn des Matches die Bälle zu visualisiseren und auch darauf einzustellen, mal die ersten Returns nicht wie gewohnt zu treffen. Wenn es nicht läuft, mache es dem Linkshänder schwierig, sein Spiel abzuspulen. Platziere Dich mal weiter in der Rückhandecke, weiter vorne, weiter hinten. Entscheidend ist, dass der Linkshänder seine Gewohnheit verlassen muss und sein übliches Rezept nicht mehr so gut funktioniert.
Besonders spieltaktisch sollte man seine Vorteile besser nützen können. Problematisch wird es aus meiner Sicht immer dann, wenn der Linkshänder die Ballwechsel dominiert. Denn so kann man sich nur (mit unerzwungenen Fehlern) mit der Rückhand longline befreien und lässt danach die eigene Vorhandseite offen. Ist man also im Cross-Duell wird es schwierig. Zudem spielt man unter Druck und Zeitnot meist „blind“ den falschen Ball.
Dominiert man aber die Ballwechsel, hat man etwas mehr Zeit zum Überlegen und Verteilen der Bälle. Man kann das taktische Konzept besser durchziehen und selbst mit seiner starken Vorhand die schwächere Rückhand cross attackieren und gelegentlich longline auf die geöffnete Vorhandseite des Linkshänders punkten.
Nach meinen Beobachtungen begehen die meisten den Fehler, sicher und defensiv die Rückhand longine auf die Rückhand des Linkshänders zu spielen. Einerseits will man damit das Cross-Duell mit dessen Vorhand meiden und andererseits selbst keine unnötigen Fehler verursachen. Dadurch eröffnet man diesem aber sämtliche Offerten und lädt ihn zum Bestimmen des Ballwechsels ein. Das wird seltens gut gehen.
Die Lösung in solchen Situationen kann also nur lauten: mit der eigenen Rückhand durch aggresive Longline-Bälle aus der Crossfalle! Beobachtet man die Linkshänder im Profibereich spielen diese sehr oft eine schnelle Rückhand longline und bleiben leicht versetzt in der Rückhandseite stehen. Damit muss der Gegner entweder sehr genau in die Rückhandecke zurückspielen (was Fehler verursacht) oder einen scharfen Crossball in die offene Vorhandseite riskieren. Beides ist riskant.
Am besten ist natürlich, diese Ballwechsel von vornherein zu vermeiden. Das wird wie bereits besprochen am ehesten mit offensivem, bestimmenden Spiel gelingen.
Viel Glück gegen diese fiesen 🙂 Linkshänder.

Robert Hartl gründete Tennis Weblog 2007. In über 500 Beiträgen teilt er sein Tennis-Wissen als langjähriger Tennis-Spieler, Tennis-Trainer und Tennis-Fan. Tennis Weblog ist eine der reichweitenstärksten, deutschsprachigen Tennis-Webseiten mit über 1 Million Besuchern pro Jahr. Wir lieben Tennis - von Tennis-Fans für Tennis-Fans. mehr zur Redaktion
In diesem Beitrag:
Tennisspieler: Rafael Nadal, Roger Federer
8. Juni 2010 um 12:06 – individueller Pingback
[…] Raffa Nadal ist dafür das beste Beispiel, da er eigentlich neben seiner Eigenschaft als Linkshänder im Tennis vor allem durch seinen enormen Spin profitiert. Aber etwa auch Jo-Wilfired Tsonga spielen die neue […]